Bildwandtypen und Tuchsorten
Auf dem Leinwand-Markt gibt es eine fast unüberschaubare Anzahl von verschiedenen Lichtbildwänden mit den unterschiedlichsten Abstrahlverhalten. Auch wenn es für die meisten Käufer nur einen ganz bestimmten Bildwandtyp gibt, der für ihn in Frage kommt, soll diese Seite zur Aufklärung und zum Verständnis beitragen, welche verschiedenen Bildwandtypen es gibt und welche charakteristischen Merkmale diese haben.
In der Deutschen Industrie-Norm DIN 19045-4 mit dem Titel "Projektion von Steh- und Laufbild" sind im Teil 4 mit dem Untertitel "Reflexions- und Transmissionseigenschaften von Bildwänden; Kennzeichnende Größen, Bildwandtyp, Messung" Lichtbildwände in vier Haupttypen gemäß ihrer jeweiligen Transmissions- und Reflexionseigenschaften eingeteilt. Als Grundlage zur Beurteilung der Reflexions- und Transmissionseigenschaft einer Lichtbildwand dient der sogenannte Leuchtdichtefaktor, der auch als Gain-Faktor bezeichnet wird. Detaillierte Informationen darüber gibt es auf unserer Webseite über den Leuchtdichtefaktor.
Auf dieser Seite über den Leuchtdichtefaktor haben wir gelernt, dass der Gainfaktor angibt, wie ein Stück Leinwand im Vergleich zu einem Stück Norm-Leinwand strahlt. Wir haben ebenfalls gelernt, dass der Gain-Faktor jeweils nur für eine ganz bestimmte Abstrahlrichtung gilt.
Um das gesamte Reflexionsverhalten einer Leinwand zu beschreiben, benötigen wir den Leuchtdichtefaktor für unterschiedliche Reflexionsrichtungen, also quasi eine Tabelle, in der verschiedenen Betrachtungswinkeln jeweils ein bestimmter Leuchtdichtefaktor zugeordnet ist. Um eine solche Tabelle zu visualisieren haben wir ein Schaubild namens Leuchtdichtefaktor-Indikatrix kennengelernt. Die nebenstehende Grafik zeigt eine solche Verteilung für eine ideale weiße Wand, wie es sie in der Praxis kaum realisieren lässt. Diese ideale weiße Fläche streut das auf sie einfallende Licht in alle Richtungen gleichmäßig ab, egal in welchem Winkel das Licht auf die Fläche fällt. Wir erkennen das gleichmäßige Abstrahlen in alle Richtungen anhand des Halbkreises, der sich um den Punkt des eintreffenden Lichtes aufspannt. Dieses Schaubild dient uns als Referenz zum Verständnis der in den folgenden Kapiteln aufgezeigten Bildwandtypen. Wir machen immer wieder einen Vergleich des Schaubildes der jeweiligen Lichtbildwand mit dieser Referenz-Weißfläche und machen uns so das Reflexionsverhalten des jeweiligen Bildwandtyps klar.
Zuvor sei jedoch noch die wichtige Frage beantwortet, weshalb es überhaupt unterschiedliche Bildwandtypen gibt. Auf der Webseite über den Leuchtdichtefaktor haben wir bereits gesehen, dass in einem schmalen Schulungsraum ganz andere Licht- und Publikumsverhältnisse herrschen als in einem typischen Wohnzimmer. Während im Wohnzimmer das von der Leinwand reflektierte Licht in fast alle Richtungen gehen soll, ginge mit einem solchen Abstrahlverhalten in einem schmalen Unterrichtsraum ein Großteil der verfügbaren Lichtmenge verloren. Ähnliche Unterschiede ergeben sich, wenn der Projektor einmal an der Decke hängt und ein andermal auf dem Fußboden steht. Wir kommen im Folgenden bei den einzelnen Bildwandtypen auf typische Anwendungsfälle zu sprechen.
Bildwandtyp D
Beginnen wir mit dem einfachsten Bildwandtyp D. Eine Leinwand mit dem Bildwandtyp D verstreut das auf sie eintreffende Licht weitgehendst gleichmäßig in alle Richtungen und weist keine ausgeprägte Vorzugsrichtung der Reflexion auf. Eine leichte Vorzugsrichtung ist die Bildwandnormale; Es ist einleuchtend, dass in diese Richtung etwas mehr Licht reflektiert wird als im 90°-Winkel. Man kann also sagen, dass eine solche Lichtbildwand das einfallende Licht nahezu diffus verstreut, und von dem Begriff diffus wird auch der Bildwandtyp D abgeleitet.
Bei einer Projektionswand vom Typ D spielt es fast keine Rolle aus welcher Richtung Licht eintrifft; die Reflexionseigenschaften sind nahezu unveränderlich. Die nebenstehende Abbildung soll dies verdeutlichen. In dem Bild entspricht der blaue Halbkreis genau derjenigen Leuchtdichtefaktor-Indikatrix, die wir im vorigen Unterkapitel als zu einer idealen weißen Reflexionsfläche zugehörig kennengelernt haben. Während eine solche ideale Weißfläche das einfallende Licht in alle Richtungen gleichmäßig und gleich stark verstreut, reflectiert unsere Bildwand vom Typ D in Richtung der Normalen etwas mehr, und in Richtung der Senkrechten etwas weniger. Dennoch sind wir nahezu an der Reflexions-Normalen aus dem vorigen Kapitel.
Eine solche Lichtbildwand wird auch als Diffusbildwand bezeichnet. Eine solche Bildwand ist zum Beispiel eine herkömmliche Leinwand aus Gewebe oder glattem Kunststoff. Aber auch eine glatte, ebene Wandfläche mit einem weißen, matten Farbanstrich hat solche Reflexionseigenschaften. Lichtbildwände des Typs D werden üblicherweise mit einem Gain-Faktor zwischen 1,1 und 1,3 angegeben. Dieser Verstärkungsfaktor entspricht dann der leicht verstärkten Reflexion in Richtung der Bildwandnormalen. Aus der Kenntnis des zugehörigen Bildes kann man dann schließen, dass in einer Richtung zwischen 40 und 60 Grad ein Gain-Faktor von 1 herrscht, der bis zu einem Winkel von 90° auf leicht unter 1 abfällt.
Lichtbildwände vom Typ D sind ideal für das häusliche Wohnzimmer, wo der Projektor zumeist in Höhe der Bildwand (oder leicht darüber) aufgebaut ist und wo das Sofa oder der Kinosessel darunter steht. So erhält der Betrachter auf dem Chef-Sessel etwas mehr Licht (Gain-Faktor 1,2), jedoch ist das Bild auch aus anderen Winkeln des Wohnzimmers, zum Beispiel vom Esstisch aus, noch sehr gut erkennbar.
Bildwandtyp B
Der eine oder andere Leser dieser Seite mag jetzt schon weitergeklickt haben, Nachdem er gelesen hat, dass der im vorigen Kapitel beschriebene Leinwandtyp D richtig fürs heimische Wohnzimmer ist. Dennoch machen wir jetzt weiter mit der nächsten Bildwand vom Typ B. Der Bildwandtyp D, den wir im vorigen Kapitel kennengelernt haben, zeichnet sich dadurch aus, dass er keine ausgeprägte Vorzugsrichtung in Sachen Reflexion hat. Dies ist beim Bildwandtyp B anders: Leinwände vom Bildwandtyp B weisen eine Vorzugsrichtung auf, die mit dem einfallenden Licht zusammenfällt.
Was dies genau bedeutet, machen wir uns am Besten im nebenstehenden Bild klar. Unsere Lichtquelle strahlt in einem schrägen Winkel auf die Leinwand. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn unser Beamer auf einem kleinen Tischchen oder auf dem Boden steht, die Projektionswand sich jedoch in einer gewissen Höhe an der Wand befindet. Im Bild erkennen wir wieder die blaue Halbkugel, die das Reflexionsverhalten einer idealen, matt weißen, vollkommen reflektierenden und streuenden Lichtbildwand kennzeichnet. Unsere rote Leuchtdichtefaktor-Indikatrix weicht stark von der Halbkreisform ab; zudem ist sie um einen Winkel um die Bildwandnormale gedreht. Ihr Maximum zeigt genau in Richtung der optischen Achse, also jener Achse, aus deren Richtung das Licht vom Projektor auf die Bildwand einfällt. Das Maximum der Leuchtdichtefaktorindikatrix ragt deutlich über den blauen Einheitskreis hinaus; Wir schließen daraus auf einen Gain-Faktor von ca. 1,5 bis 1,7. An den Rändern der Indikatrix haben wir hingegen einen Leuchtdichtefaktor von gerade mal 0,5 bis 0,7.
Eine Lichtbildwand vom Typ B reflektiert also das einfallende Licht im gleichen Winkel zurück, wie es auf die Bildwand eintrifft. Um ein solches Reflexionsverhalten zu erlangen, genügen keine normalen Leinwände aus Stoff oder Kunststoff. Projektionswände vom Typ B haben zwar auch eine Stoff- oder Kunststoff-Unterlage als Trägermaterial, auf dieser sind jedoch winzige Glaskugeln angebracht, die das spezielle Reflexionsverhalten bewirken. Aus diesem Grunde werden derartige Lichtbildwände auch als Perlbildwände oder Kristallbildwände bezeichnet.
Wo kommen solche speziellen Bildwände zum Einsatz? Wer jetzt meint, dass er in seinem Wohnzimmer genau so eine Lichtbildwand benötigt, weil er den Projektor auf den Boden stellt oder an der Decke aufhängt, liegt falsch. Die Winkelverhältnisse sind immer noch klein; Außerdem soll das Licht ja nach wie vor im gesamten Wohnzimmer zerstreut werden. Lichtbildwände des Typs B kommen im Wesentlichen in großen Hörsälen oder Auditorien, allgemein sehr hohen und tiefen Räumen, zum Einsatz, wo auch mit der vorhandenen Lichtmenge des Projektors scharf kalkuliert werden muss.
Bildwandtyp S
Den im vorigen Kapitel vorgestellten Bildwandtyp B konnte man sich nicht ganz einfach vorstellen; schließlich widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung, dass Licht auf eine Fläche schräg auftrifft und im gleichen Winkel wieder reflektiert wird. Man stelle sich mal einen Billard-Tisch vor, auf dem man eine Kugel schräg zur Bande stößt und diese im gleich schrägen Winkel zurück kommt...
Wir kommen jetzt zum Bildwandtyp S, der sich genau so verhält, wie man es von einer Billard-Bande oder von einem normalen Spiegel her kennt. Das nebenstehende Bild verdeutlicht genau dieses Verhalten: Licht, das in einem schrägen Winkel auf die Bildwand einfällt, wird an der Bildwandnormalen gespiegelt und mit einem Ausfallswinkel reflektiert, der genau dem Einfallswinkel entspricht. Die Richtung des einfallenden Lichtes wird als optische Achse, die Richtung des reflektierten Lichtes als Hauptrückstrahlrichtung bezeichnet. Beide Achsen haben den gleichen Winkel zur Bildwand-Senkrechten; Genauso wie im vorigen Kapitel erkennen wir anhand der Leuchtdichtefaktor-Indikatrix, dass das Licht in Richtung der Hauptrückstrahlrichtung gebündelt wird; wir lesen einen Gain-Faktor von 1,5 bis 1,7 ab. An den Rändern hingegen haben wir nur einen Gainfaktor von ungefähr 0,5 bis 0,7.
Auch eine Lichtbildwand vom Typ S benötigt eine ganz spezielle Oberfläche, um dieses Reflexionsverhalten zu erreichen. Auf einer Trägerschicht aus Gewebe oder Kunststoff ist eine dünne Schicht von Metall- oder Silberteilchen angebracht, die eventuell noch zusätzlich rillenförmig oder linsenförmig strukturiert sind. Zum Schutz gegen Oxidation und andere chemischen Einflüsse befindet sich darüber eine zusätzliche, lichtdurchlässige Schutzschicht. Solche Lichtbildwände werden daher auch Metallbildwände oder Silberbildwände genannt.
Der Anwendungsfall von Bildwänden des Typs S ist naheliegend: Befindet sich in einem hohen Raum der Projektor an der Zimmerdecke, die Leinwand in einer mittleren Höhe und das Publikum am Boden, haben wir genau solche Winkelverhältnisse wie im obigen Bild dargestellt. Aber auch hier meine ich nicht das 2,50 m hohe Wohnzimmer, sondern große Vortragsräume, wo auch mit der vorhandenen Lichtmenge des Projektors sparsam bzw. gezielt umgegangen werden muss.
Bildwandtyp R
Den vierten und letzten Bildwandtyp liste ich hier nur der Vollständigkeit halber auf. Es handelt sich nämlich um Bildwände für Rückprojektion, daher die Typenbezeichnung R. Eine solche Leinwand hat gewiss kein Privatmann in seinem Wohnzimmer stehen. Eine solche Projektionswand wird von hinten mit einem horizontal gespiegelten Bild angestrahlt. Das Licht wird nicht reflektiert sondern transmittiert.
Betrachten wir das nebenstehende Bild, um das Verhalten einer solchen Bildwand zu verstehen. Die Lichtquelle bestrahlt die Leinwand von senkrecht von hinten; die optische Achse liegt also auf der Bildwandnormalen. Im Gegensatz zu den Lichtbildwänden, die in den vorigen Kapiteln behandelt wurden, wird das eintreffende Licht jedoch nicht in eine bestimmte Richtung zurück reflektiert sondern es wird von der Bildwand durchgelassen (Transmission). Im Bild erkennen wir eine Vorzugsrichtung in Richtung der Bildwandnormalen. Beim Vergleich der roten tatsächlichen Leuchtdichtefaktor-Indikatrix mit dem blauen Halbkreis (ideale 100% reflektierende und streuende Leinwand) lesen wir einen Gainfaktor von ungefähr 1,5 ab. Wir sprechen hier also von einer Vorzugsrichtung für die Transmission (nicht für die Reflexion).
Projektionswände vom Bildwandtyp R bestehen aus ganz speziellen Materialien und Oberflächen, um die gewünschten Transmissionseigenschaften zu erhalten. Auf einem zumeist klaren Trägermaterial sind spezielle Schichten aufgebracht, die teils strukturiert teils unstrukturiert sind.
Wie eingangs schon erwähnt stehen Lichtbildwände des Typs R ganz gewiss nicht im häuslichen Wohnzimmer. Wer aber schon einmal im Theater oder auf einer Messe eine Bildwand betrachtet hat und keine Lichtquelle ausfindig machen konnte, der weiß jetzt, dass es sich um eine Rückprojektionsbildwand handelt, bei der der Projektor hinter der Bildwand versteckt ist.
Zurück zum Inhaltsverzeichnis Leinwände
|